Es war einmal eine Frau namens Clara, die in einem äußerst lebhaften Büro arbeitete. Wohlgemerkt mit vielen netten Menschen, mit denen sie gut klar kam. Clara leitete die Abteilung Buchhaltung und war bekannt für ihre unerschütterliche gute Laune und ihren scharfen Sinn für Humor, und das trotz ihres eher trockenen Berufes. Es gab eine Sache, mit der sie jeden Tag gern startete, es war ihr festes Ritual: Einen heißen frischen Kaffee aus ihrer roten Lieblingstasse mit dem Aufdruck „Nicht mein Zirkus. Nicht meine Affen.“ Diese Tasse war nicht irgendeine. Clara bekam sie von ihrer Großmutter geschenkt, die immer gesagt hatte, dass man sich nicht mit den Problemen anderer herumschlagen sollte – es sei denn, man habe einen guten Kaffee dabei. Nun war Claras Großmutter vor vier Wochen gestorben und Clara kämpfte immer noch mit den Tränen.
Eines Morgens kam Clara ins Büro und freute sich schon auf ihren ersten Schluck Kaffee, denn ihre Augenringe zeugten von einer unruhigen Nacht. Doch als sie in die Küche ging, stellte sie entsetzt fest: Die Tasse war verschwunden! Stattdessen fand sie nur einen leeren Platz auf dem Regal und (immerhin!) einen Zettel mit der Aufschrift „Ich hab sie mir geliehen! – Max“. Max war der neue Praktikant und hatte anscheinend ein Talent dafür, Dinge zu „leihen“, ohne vorher zu fragen.
Clara machte sich sofort auf die Suche nach Max. Sie fand ihn schließlich in der Teeküche, wo er fröhlich aus ihrer Tasse trank und dabei lauthals über seine neuesten Abenteuer erzählte. Max spielte in seiner Freizeit Fussball (was sonst) und beim letzten Spiel war er der Ballkönig. Zwei Tore konnte er verbuchen. Clara freute sich für ihn, aber diese eine Sache wollte sie ihm auf keinen Fall durchgehen lassen.
„Max!“, rief sie mit einem freundichen, aber distanzierten Lächeln auf den Lippen. „Das ist meine Tasse!“
Max schaute überrascht auf und sagte: „Oh, tut mir leid! Ich dachte, das wär nicht so schlimm, wenn man die mal nimmt, die ist ja lustig!“
Clara nahm ihm ihre Tasse ab und erklärte ihm die Geschichte dahinter – wie ihre Großmutter ihr immer geraten hatte, sich nicht in das Chaos anderer einzumischen. Max schaute betreten drein und versprach feierlich, die Tasse nie wieder ohne Erlaubnis zu nehmen – er wollte sich das Praktikum durch solch eine Lappalie echt nicht verscherzen. Auch andere Mitarbeiter hatten schöne Tassen.
Doch 1. kommt es anders und 2. als man denkt. In den folgenden Wochen passierte es immer wieder: Jedes Mal, wenn Clara ihre Tasse in der Küche abstellte, verschwand sie wie von Zauberhand! Mal war es Max, mal eine andere Kollegin namens Lisa, die einfach nicht widerstehen konnte. Jedes Mal musste Clara erneut erklären, warum diese Tasse so besonders für sie war und warum sich die anderen gefälligst ihre eigenen Affen Kaffeebecher mitbringen sollten!
Eines Tages beschloss Clara, dass genug genug war. Sie bastelte ein überdimensionales Schild mit der Aufschrift „Diese Tasse gehört Clara! Wenn du sie nimmst, musst du auch meine Probleme lösen!“ Sie hängte das Schild direkt über dem Regal auf und wartete gespannt auf die Reaktionen.
Am nächsten Morgen kam Max mit einer riesigen Kaffeetasse ins Büro – er hatte sich eine eigene besorgt, braver Kerl! Lisa hingegen brachte Clara ein kleines Geschenk mit: eine zweite Kaffeetasse mit dem Aufdruck „Ich bin hier Abteilungsleiterin. Um Zeit zu sparen, einigen wir uns einfach darauf, dass ich immer Recht habe“ als Entschuldigung. Das ganze Büro lachte darüber und bald wurde Claras Tasse zum Running Gag des Tages, denn sie hatte tatsächlich fast immer Recht.
