„Endlich endlich hab ich alle Geschenke zusammen!“ rief mir meine Freundin freudig entgegen. Sie hatte mir vorher lang und breit erklärt, dass sie nach wochenlanger Suche, akribischer Planung, einigen zeitintensiven Online- und Offline-Shopping-Touren und natürlich dem Finden des perfekten Geschenkpapieres nun endlich alle Weihnachtsgeschenke beisammen UND verpackt hätte (allein das hat sie einen halben Tag gekostet, und jedes Geschenk bekam noch eine ausgefallene Schleifendeko). Nicht, ohne diesen Zustand mit einem erleichterten Seufzen zu kommentieren.
Ich hingegen hab sie immer noch nicht alle. Ja, auch nicht alle Tassen im Schrank, aber hier geht es ja um die Weihnachtsgeschenke. Jedes Jahr wieder. Was bekommen die so geliebten Menschen von mir? Wie drücke ich meine Wertschätzung aus? Ach ja, klar, am einfachsten ist das natürlich, indem man die Größe oder den Preis des Geschenkes mit dem Grad der Liebe gleichsetzt. Großes Geschenk heißt dann wohl: Ich liebe dich doll. Ein günstiges Geschenk ist nur zum Schrottwichteln geeignet oder für Bekannte, die man eigentlich eh schon länger nicht mehr sehen will, es sich aber nicht zu sagen traut. Vielleicht merkt er oder sie es ja nach dem Auspacken von selbst.
Es ist nicht so, als würde ich mir nicht schon seit Oktober Gedanken dazu machen. Aber die Erfahrung lehrt: Kaufe nichts vor Dezember. Zu oft gab es diesen „Schau mal, ich hab mir dieses tolle Buch gekauft, kann es kaum erwarten, es zu lesen!“-Spruch schon aus dem Freundeskreis – und mein Oktober-Geschenk musste ich wohl oder übel für jemand anderen Lesefreudigen einplanen.
Ich fragte meine Freundin: „Hey, sag mal, macht dich das eigentlich glücklich?“ „Das ich jetzt endlich alles zusammen habe und die Füße hochlegen kann? Klar, und wie!“ antwortete sie. „Nein, das meine ich nicht. Ich meine, das schenken an sich!“ Die Antwort kam schnell. „Boah, nee, das ist soo anstrengend! Ich habe ein extra Sparbuch nur für Weihnachtsgeschenke! Ab Sommer höre ich dann aufmerksam zu, was sich die Leute alles so wünschen. Und dann das kaufen! Ich beobachte die Preise ab September, damit ich Ende November beim Black Friday zuschlagen kann. Wusstest du, dass die Preise dort gar nicht immer besser sind? Hab da so ne Doku gesehen, stell Dir vor, die…“
„Ja, ja, ich weiß, meine Liebe, aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Mach DICH das Schenken glücklich?“
Sie nahm einen Schluck Kaffee (mit Hafermilch, ohne Zucker) und ein (von mir mit Liebe selbst gekauftes) Vanillekipferl. Sie grübelte – ungewöhnlich lange. „Äh, weiß nicht, muss mich das glücklich machen? Ehrlich gesagt mach ich das nur für die anderen, mich selbst stresst das ohne Ende.“
„Hm, tja, aber warum machen wir alle das dann? Nach Adam Riese und Eva Zwerg sind ja dann alle kollektiv gestresst im Dezember.“ Die Antwort meiner Freundin kam prompt: „Na, damit sich alle an Heiligabend freuen beim Geschenkeauspacken! Die leuchtenden Kinderaugen, die Vorfreude…“
Also, ich für meinen Teil habe bei diversen Geschenkeorgien ebenfalls leuchtende Kinderaugen gesehen, aber auch völlige Reizüberflutung. Meine Mutter hatte sich letztes Jahr nachher beschwert. „Der Lukas spielt gar nicht mit meinem Geschenk, dabei habe ich mir so eine Mühe beim aussuchen gegeben. Und es war ganz schön teuer.“ Jou, das Geschenk der Oma lag unter dem Turm der anderen gut gemeinten Geschenke und Lukas wusste nicht, mit welchem er zuerst spielen sollte. Stattdessen saß er im Zimmer und spielte (das alte!) Lego.
Ich wandte mich meiner Freundin zu. „Ach weißt du, ich glaub, ich steig da aus. Ich werde meinen Liebsten Zeit schenken. Familienzeit. Vielleicht machen wir einen Ausflug zusammen oder kochen und essen mal wieder gemeinsam. Das geht so unter in der letzten Zeit. Und ich habe mir überlegt, jedem sehr liebe Worte zu schenken und allen Lieben zu sagen, was ich an ihnen mag und warum ich sie gern in meinem Leben habe. Ehrlich gesagt: Über sowas freue ich mich selbst am meisten.“
Meine Freundin schaute mich etwas perplex an. „Aber dann liegt ja gar nichts unter dem Baum?! Und nur so´n Kärtchen? Ich weiß ja nicht, das kommt mir zu wenig vor.“
„Spricht ja auch nichts gegen eine Kleinigkeit, wenn sich jemand etwas von Herzen wünscht. Aber ich hab lieber entspannte Weihnachten ohne Geschenkestress, Überforderung und enttäuschten Omas. Klingt das nicht traumhaft? Endlich Zeit für ‚Drei Haselnüsse für Aschenbrödel‘!“ entgegnete ich.
„Hach ja, den haben wir schon lange nicht gesehen! Das war immer so schön gemütlich mit uns beiden, oder? Lass uns das machen, der läuft morgen Abend, hab ich auf Insta gesehen! Menschen teilen dieses Sharepic mit den Sendeterminen schon seit Monaten! Ich bring den Punsch mit und du die Kekse.“ Die Augen meiner Freundin leuchteten dabei.
Was für ein schönes Geschenk!